Die bayerische Wirtschaft

Deutschland hat Zukunft

OnlineKongress Aktionsrat Bildung 2022

Bildung und Resilienz

Wie kann sich das Bildungssystem auf die nächste Krise vorbereiten?

Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht: Das deutsche Bildungssystem ist nur sehr bedingt auf Krisen vorbereitet. Die Beteiligten aller Ebenen waren unzureichend auf die Herausforderungen der Pandemie eingestellt und auch die Rahmenbedingungen (z. B. Entscheidungsstrukturen, digitale Infrastruktur) erschwerten adäquate Reaktionen. Nicht nur mit Blick auf künftige Krisen, sondern auch aufgrund der Herausforderungen, die Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Wandel an unsere Gesellschaft stellen, muss das Bildungssystem eine höhere Priorität erhalten und systematischer als bisher die Förderung von Resilienz fokussieren.

Die Förderung von selbstreguliertem Lernen stellt eine wichtige Strategie dar, um Kindern im Falle einer Krise wie der COVID-19-Pandemie eine möglichst ungestörte Fortsetzung ihrer Bildungsbiografie zu ermöglichen. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die umfassende Digitalisierung des Bildungssystems. Gestärkt werden müssen sowohl die digitale Infrastruktur als auch die Kompetenzen von Lehrenden und Lernenden.

Mehr zu den Forderungen des Aktionsrats Bildung im Gutachten auf S.15 ff.

Kann man Resilienz lernen?

Resilienz, also die Fähigkeit eines Individuums, einer Gruppe oder auch eines Systems, an Krisen zu wachsen und sich weiterzuentwickeln, ist erlernbar. In der psychologischen Forschung wird davon ausgegangen, dass die Entwicklung von Resilienz bereits im frühkindlichen Lebensalter entscheidend beeinflusst wird. In den Einrichtungen der frühen Bildung gibt es vermehrt Kinder, die schon in der frühesten Kindheit vielfältigen Belastungen und Stressoren ausgesetzt waren und nur auf der Grundlage eines von den Bildungseinrichtungen zur Verfügung gestellten sicheren Rahmens die Chance auf eine anschlussfähige Entwicklung haben. Bei der Förderung von Resilienz ist somit ein besonderer Fokus auf die frühe Bildung zu legen.

In den späteren Lebensphasen beinhaltet Resilienzförderung vor allem die Stärkung von Fähigkeiten, die häufig unter dem Begriff „21st Century Skills“ zusammengefasst werden. Diese umfassen z. B. Kompetenzen zur Problemlösung und zur Selbstregulation sowie kommunikative und digitale Kompetenzen. Doch auch ausreichende Kompetenzen in den Kernfächern sind Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung unterschiedlichster Lebensaufgaben. Die Befunde internationaler Vergleichsstudien haben hier wiederholt die Defizite des deutschen Bildungswesens offengelegt.

Mehr dazu im Gutachten in den Kapiteln zur frühen Bildung (S.78 ff.) und Sekundarstufe (S.123 ff.).

Können digitale Angebote das Lernen vor Ort ersetzen?

Die Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie machen deutlich, dass das digitale Lernen nur sehr begrenzt das Lernen vor Ort ersetzen kann. In der Krise hat sich gezeigt, dass der Erfolg von digitalem Lernen stark an die Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen gekoppelt ist: Die größten Leistungsrückstände lassen sich bei jungen Lernenden und solchen mit Defiziten in der Selbstregulation verzeichnen. So waren nach Einschätzung der Lehrkräfte die Einbußen bei der Vermittlung von Lerninhalten sowie die Vergrößerung sozial bedingter Ungleichheiten in der Primarstufe gravierender als in anderen Schultypen. Bei den jüngsten Lernenden der frühen Bildung zeigte sich darüber hinaus, dass durch den Wegfall jeglicher Bildungs- und Betreuungsangebote vermehrt emotionale und Verhaltensprobleme auftraten.

In den höheren Altersgruppen gelang es demgegenüber etwas besser, die Belastungen der Krise aufzufangen und insbesondere die Vermittlung von Lerninhalten zu gewährleisten: In der Sekundarstufe standen verhältnismäßig viele digitale Angebote zur Verfügung und auch die digitale Ausstattung der Schülerinnen und Schüler wurde größtenteils als ausreichend bewertet. Aber auch die 7- bis 17-Jährigen wiesen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie nahezu doppelt so häufig psychische Auffälligkeiten auf wie vor der Krise (vgl. Ergebnisse der COPSY-Studie 2021).

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass digitales Lernen unter bestimmten Voraussetzungen zwar eine wichtige Ergänzung des Lernens vor Ort sein kann, der persönliche Austausch und das soziale Lernen jedoch wesentliche Bestandteile von Bildung bleiben müssen.

Mehr zu den Voraussetzungen selbstregulierten Lernens im Gutachten auf S.102 ff.

Das Best-of des OnlineKongresses

Gutachten 2022

Bildung und Resilienz

Der Begriff Resilienz ist ein Modewort, das jedoch treffend wichtige Anforderungen auf den Punkt bringt, die durch rasche Veränderungen am Arbeitsmarkt, globale Krisen und demografischen Wandel an Individuen und Gesellschaft gestellt werden: die zentrale Herausforderungen besteht darin, auf Veränderungen so zu reagieren, dass diese keinen Schaden anrichten können. Das Konzept der Resilienz beinhaltet im Wesentlichen Anpassungsfähigkeit – sowohl mit Blick auf akute Krisen, als auch auf solche Veränderungen, die eher langsam und kontinuierlich vonstattengehen.

Der Aktionsrat Bildung widmet sich in seinem neuen Gutachten der Frage, wie die Resilienz von Individuen, Bildungseinrichtungen und des Bildungssystems gesteigert werden kann.
Aus seiner Analyse leitet das Gremium allgemeine sowie bildungsphasenspezifische Handlungsempfehlungen ab und richtet diese an die politischen Entscheidungsträger.

Das Gutachten wurde am 28. April 2022 im Rahmen eines OnlineKongresses der Öffentlichkeit vorgestellt.

 

Die Vorträge zur Vorstellung des Gutachtens

Individuelle und systemische Resilienz

Prof. Dr. Bettina Hannover

Leiterin des Arbeitsbereiches Schul- und Unterrichtsforschung im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Freie Universität Berlin

Bildung und Resilienz in der frühen Bildung und Primarstufe

Prof. Dr. Yvonne Anders

Inhaberin des Lehrstuhles für Elementar- und Familienpädagogik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Bildung und Resilienz in der Sekundarstufe und beruflichen Bildung

Prof. Dr. Tina Seidel

Head of Department Educational Sciences, Inhaberin des Lehrstuhles für Pädagogische Psychologie, Technische Universität München

Zusammenfassung des OnlineKongresses am 28.04.2022

Dr. Christof Prechtl, stellvertretender Geschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., eröffnete die Veranstaltung und erklärte: „Resiliente Unternehmen brauchen resiliente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Resilienz ist erlernbar für jede und jeden Einzelnen, jede Organisation und jedes System. Ausgehend davon muss uns allen bewusst sein: Stärken wir unser Bildungssystem, dann stärken wir die Gesellschaft und damit auch unseren Wirtschaftsstandort!“

Resilienz ist erlernbar

Die Fähigkeit eines Individuums, einer Gruppe oder auch eines Systems, an schweren Krisen zu wachsen und sich weiterzuentwickeln ist erlernbar. In ihren Vorträgen präsentierten die Mitglieder des Aktionsrats Bildung geeignete Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz der Bildungsteilnehmer*innen in den einzelnen Bildungsphasen. Auch die Resilienz der Bildungseinrichtungen und des Bildungssystems wurden thematisiert.

Befähigung zur Resilienz

Im Rahmen einer Gesprächsrunde diskutierten Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zentrale Ergebnisse und Empfehlungen der Studie. Der Schwerpunkt der Diskussion lag auf den Bildungsbereichen Schule und berufliche Bildung.

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie Resilienz auf individueller Ebene erworben und vermittelt werden kann, und welcher Rahmenbedingungen es auf der systemischen Ebene bedarf, um Bildungseinrichtungen auf Krisen vorzubereiten.

Prof. Dr. Karl Wilbers, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg betonte, dass in den Schulen Lehrmethoden, die auf die Förderung der 21st Century Skills zielen, zum Standard werden müssen. Auch die Resilienz der Lehrenden sei gezielt zu fördern. Hierfür seien ein gutes Arbeitsklima, unterstützende Beziehungsstrukturen und spezielle Fortbildungen zur Burnout-Prävention in allen Bildungsphasen von zentraler Bedeutung.

Weitere wichtige Themen waren die (Teil-)Autonomie von Schulen sowie die Förderung einer Schulkultur, die Partizipation und Gemeinschaftsgefühl in den Vordergrund stellt. Aus Schülersicht betonte Katharina Swinka, Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, dass Schulen einen stärkeren Fokus darauf legen sollten, Schüler*innen auf grundlegende Lebensaufgaben vorzubereiten. Prof. Dr. R. Alexander Lorz, Mitglied im Präsidium der KMK und hessischer Kultusminister, erläuterte am Beispiel multiprofessioneller Teams in hessischen Schulen, wie wichtig es sei, Lehrer*innen mit dieser umfangreichen Aufgabe nicht alleine zu lassen.

Vortragende und Podiumsteilnehmer*innen

  • Prof. Dr. R. Alexander Lorz, Mitglied im Präsidium der Kultusministerkonferenz, Berlin, Hessischer Kultusminister, Wiesbaden
  • Joachim Maiß, Vorsitzender des Bundesverbands der Lehrkräfte für berufliche Bildung e. V., Berlin
  • Katharina Swinka, Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz, Berlin
  • Prof. Dr. Bettina Hannover, Leiterin des Arbeitsbereichs Schul- und Unterrichtsforschung im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Freie Universität Berlin
  • Prof. Dr. Yvonne Anders, Inhaberin des Lehrstuhls für Elementar- und Familienpädagogik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
  • Prof. Dr. Tina Seidel, Head of Department Educational Sciences, Inhaberin des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie, Technische Universität München
  • Prof. Dr. Karl Wilbers, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Dr. Christof Prechtl, stellv. Geschäftsführer, vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., München

Stimmen aus der Praxis

Das Bildungssystem sieht sich heute mit Risiken konfrontiert, die in ihren Wirkungen schwer einzuschätzen sind und die nicht erst dann ernst genommen und bearbeitet werden sollten, wenn die hinter ihnen stehenden Katastrophen tatsächlich eintreten. Die Beeinträchtigungen des Bildungssystems durch die COVID-19-Pandemie haben dies in aller Deutlichkeit gezeigt. Stellvertretend für all jene Bildungseinrichtungen, denen es gelungen ist, an dieser großen Herausforderung zu wachsen und sich weiterzuentwickeln, wurden im Rahmen des OnlineKongresses drei Schulen vorgestellt.

Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium, Bergisch Gladbach

Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg, Hamburg

Berufliche Schulen, Landsberg am Lech

ab 29.04.2020

Bisherige Veröffentlichungen

Seit 2005 bewerten die Mitglieder des Aktionsrates Bildung die gegenwärtige Situation im deutschen Bildungssystem auf Basis von umfassenden Expertisen. Lernen Sie die Mitglieder und die Aktivitäten seit Gründung des Aktionsrates jetzt kennen.